RÜCKBLICK







DAS PROJEKT [Auszug]

In den 1980-er Jahren wuchs bei Künstlern, aber auch bei Galerien, Museen, Kulturveranstaltern und Kunstpublikum das Interesse an medienübergreifender und/oder interdisziplinärer Kunst überproportional stark an. Durch diese speziell österreichische »Entdeckung der Moderne« wurden zahlreiche exemplarische Kunst-Unternehmungen gestartet.
Als Medienkünstler konnten wir bei den wichtigsten Projekten mitarbeiten, ein paar konnten wir kuratieren und andere konnten wir darüber hinaus in Zusammenarbeit mit Künstlern und Veranstaltern dokumentieren.[1]
Ausgehend von dieser historisch authentischen Materialsammlung der 80-er Jahre – den von uns gestalteten und produzierten Videodokumentationen von Ausstellungen und den Videoeditionen[2] – entstand 2004 die Idee zu einem Medienprojekt, das die historische Dimension mit aktuellen künstlerischen Folgerungen vereinen sollte.

Im ersten Teil des Projekts »Echo der Vergangenheit« liegt der Schwerpunkt, neben der Sicherung und Publikation eines teilweise bis jetzt öffentlich nicht zugänglichen Materials aus unserem Bestand, vorrangig in der experimentellen Dokumentation von zwei, damals besonders wichtigen interdisziplinären Kunstformen, deren Aktualität bis in die Gegenwart reicht, dem künstlerisch gestalteten Musikvideo, der Medienperformance[3] und dem Videoobjekt bzw. der -plasik.
Beim künstlerischen Musikvideo und dem Videoobjekt haben die österreichischen Medienkünstler damals eine unverkennbare Formensprache und Produktionsmethodik entwickelt.

Ein zweiter, wesentlicher Bestandteil des Internetprojekts ist die offene Plattform in 2 Richtungen.
1. Alle künstlerischen Produzenten, die vor 1990 [der Vorcomputerzeit] medienübergreifende interdisziplinäre Kunst realisiert, ausgestellt oder präsentiert haben [reine Konzepte ausgeschlossen], sollen mit ihren Werken in dieser Datenbank erfasst werden.
2. Die Eingabenen in die Datenbank werden von den Künstlern, sofern sie technisch in der Lage sind, über den eigens dafür interaktiv programmierten Zugang selbst durchgeführt und aktualisiert [Blogmodell]. Alle Einträge können von den Künstlern jederzeit wieder entfernt oder aktualisiert werden.
Die automatische Anzeige des entsprechenden Permalinks zur individuellen Verwendung ist noch in Vorbereitung.

Das Projekt, das leider nur mit geringen öffentlichen Mitteln gefördert ist, wird von uns in enger Zusammenarbeit mit den Künstlern institutionell unabhängig durchgeführt.
Dieser Umstand ermöglicht es uns aber frei zu handeln und die Aufarbeitung so zu gestalten und so durchzuführen, wie wir es – allerdings vom Standpunkt der damals am künstlerischen Prozess aktiv Beteiligten – für richtig halten. Wir interpretieren und zensurieren nicht extern aus der Sicht des Kunsthistorikers, sondern versuchen den künstlerischen »Zeitgeist« medienübergreifender Kunst der 80-er Jahre von innen zu vermitteln.
Unsere historische Wahrheit begründet sich ausschließlich auf der Tatsache, dass die Werksdokumentationen aus damals öffentlich stattgefundenen Veranstaltungen stammen und in der Primärliteratur, in Katalogen bzw. auf anderen Trägermedien publiziert oder in der Presse [4] erwähnt wurden.

© GRAF +ZYX 04-06

MEDIENKUNST DER 80-er JAHRE

VIDEO ALS ÄSTHETISCHES EXPERIMENT
Video als komplex und bewußt formal-ästhetisch gestaltendes – über die reine Zerstörung oder selbstreferenzierende in Frage Stellung des Mediums hinausgehendes – künstlerisches Ausdrucksmittel findet zu Beginn der 80-er Jahre zusehends stärkere Bedeutung unter Österreichs jüngeren Künstlern. Dieser theoretische Ansatz eines »artificial movement versus socially generated patterns« trennt Film- und Videokünstler künftig in zwei Lager. Videoarbeiten mit sozialkritisch-politischem Inhalt, arbeitsteilig produziert, bleiben in den gewohnten Darstellungs- und Präsentationsformen der Massenmedien verhaftet, während die Anhänger eines »artificial movements« sich bedingungslos in Inhalt und Form dem künstlerischen Experiment , einer neuen technischen Erzählform im Sinn eines »persönlich individuellen Gesamtkunstwerks« verpflichten.
War es zuerst nur die Verknüpfung von bewegtem, oft abstraktem Bild und eigener Musik das die österreichischen Künstler dieser Generation reizte, kam es bald zum Wunsch, »über den Bildschirmrand und über die Grenzen der Medien« hinaus in den Raum zu treten, und Live-Auftritte, Installationen und plastisches Gestalten bestimmten in der Folge – in den 80-er Jahren – das Erscheinungsbild zeitgenössischer, österreichischer Medienkunst . Und tatsächlich wurde von diesen Künstlern damals neue, medienübergreifende Ausdrucksformen erfunden und praktiziert, welche die österreichische Medienkunst – weit über die Grenzen der europäischen Gegenwart hinaus – in eine universale, elektronische Zukunft katapultierte.

BILD UND MUSIK IM ÖSTERREICHISCHEN KUNSTVIDEO
Die Hochschule für Angewandte Kunst produzierte und veröffentlichte 1984 exemplarisch zu den musikalischen Bestrebungen der Studierenden der Klasse Grafik [Leitung Rektor Prof. Oswald Oberhuber] die Langspielplatte FÜNFZEHN TONSPUREN : 00:36:54 - 15 Tonspuren für 15 nicht bildmaterialisierte S-8 Filme+Videos. Urheber der Idee war der damalige Assist von Professor Oberhuber, Karl Kowanz . Selbst Musiker und Medienkünstler, leitete er das Projekt und war für Zusammenstellung und grafische Gestaltung verantwortlich.
Die Video-Technikausstattung dieser Klasse bestand bis 1985 nur aus 2 Low-Band U-Matic Maschinen, einem Schnittcomputer, 2 Monitoren und einer Einröhrenkamera mit Stativ und einigen privaten S-8 Kameras.
Noch bevor es überhaupt eine Klasse für Mediengestaltung gab, wurde, trotzt unzureichender technischer Ausstattung, von den Künstlern bereits medienübergreifend gedacht und produziert .

DIE NEUEN MEDIEN IM SPIEGEL DER ÖFFENTLICHKEIT
1987, zwei Jahre vor der legendären Ausstellung »VIDEOSKULPTUR retrospektiv und aktuell 1963–1989«, kuratiert von Wulf Herzogenrath, stellten GRAF +ZYX im Auftrag von Edelbert Köb für die Wiener Secession eine Ausstellung »JUNGE SZENE WIEN '87. MULTIMEDIALE KUNST« zusammen. Kuratierung, Gesamtgestaltung und Organisation einer hochtechnischen Medien-Ausstellung war für die beiden »die Gelegenheit« Wien mit den brandaktuellen, medienübergreifenden Werken jüngerer Künstler zu konfrontieren. Ohne sich auf Alteingesessenes zu berufen und nur mit winzigem Ausstellungsbudget ausgestattet, wählten sie aus den zahlreichen Einreichungen für diese Ausstellung Installationen und Objekte unterschiedlicher theoretischer und formalästhetischer Ansätze.
Ali Aydin, Gudrun Bielz/Ruth Schnell, Martin Breindl/ Andrea Sodomka , Gary Danner/Elisa Rose/Dnv, Andrea Dee/ Gottfried Distl , Werner Degenfeld, Felix Dorner , Catherine Dressler, GRAF +ZYX , Peter A. Egger, Margarete Haberl/Dietmar Keppel, Ilse Haider, Ev Klein, Raimund Kolleger, Renate Kordon, Helmut Rainer, Catharine Reichel/Gerhard Kutzenberger, Tommy Schneider, Mata Wagnest/Nicolas W. Eder, Albert Winkler /Friedl Winkler , Franz Xaver und Michael Zinganel stellten in der Secession ihre Werke, erstmals gesammelt in einer großen Schau , der Öffentlichkeit zur Diskussion. Die Ausstellung wurde durch 3 performative Auftritte medial erweitert und mit einem Videoprogramm , mit Arbeiten von Gudrun Bielz/Ruth Schnell, Perdita Chan, Peter A. Egger, Rainer Ganahl, Ilse Gassinger , GRAF+ZYX , Lydia Lindner/Robert Wölfl, Helmut Mark/Heimo Zobernig, Manfred Neuwirth, Muki Pakesch, Ursula Pürrer/Angela Hans Scheierl/Dietmar Schipek, Rupert Putz, Helmut Rainer, Julean Simon, Helmut Stadlmann, Anna Steininger, Hans Weigand, ergänzt.
Zur Ausstellung erschienen ein Plakat und ein Katalog.

© tamara star|R| 06

 

Anmerkungen:
[1]
JUNGE SZENE WIEN 1987
Kamera: GUDRUN BIELZ/RUTH SCHNELL, Schnitt/Gesamtgestaltung/Produktion: GRAF +ZYX .
HERZ VOV EUROPA 1989. Infermental 9. Herausgeber und Produzenten: GRAF +ZYX und Ilse Gassinger .
DIE REISE VOM BEWEGTEN BILD IN DEN ELEKTRONISCHEN RAUM 1989. Kuratierung und Produktion: GRAF +ZYX
IM LICHT DES MONITORS 1990
Kamera/Schnitt/Gesamtgestaltung/Produktion: GRAF +ZYX im Auftrag von Dieter Bogner [Hg.]/Kunstverein Horn

[2]
Material das wir zwischen 1998 und 2003, im letzten Moment vor dem endgültigen Verlust, auf eigene Kosten digital gesichert haben und das daher noch in gutem technischen Zustand ist.

[3]
Als Videoperformance bzw. Medienperformance – im Gegensatz zur technisch nachbearbeiteten Videodokumentation einer Performance – kann eine Performance und deren Aufzeichnung nur dann bezeichnet werden, wenn künstlerische Intention, Aussage und Durchführung aller Komponenten [Konzept, Bild-/Darstellungsästhetik, Sound/Musik, Technik] vom Künstler bzw. einer homogenen Künstlergruppe ganzheitlich selbst erarbeitet, performt und technisch durchgeführt wird und wenn Aussage und Ästhetik der Aufführung/Aufzeichnung und der medial-ästhetische, technische Eingriff ein untrennbares Ganzes ergeben.

[4]
REZENSIONEN:

JUNGE SZENE WIEN ’87 · MULTIMEDIALE KUNST

ORF
1. ORF-KULTURJOURNAL 1987


PRINTMEDIEN

1. JUNGE SZENE WIEN : GEGEN DEN DRUCK DER GESCHICHTE [AZ /TAGBLATT | DONNERSTAG, 23. JULI 1987]
Im Hauptraum und in der Galerie der Wiener Secession wurde die Ausstellung »JUNGE SZENE WIEN 1987« eröffnet. In diesem Jahr wurden Künstler im multimedialen Bereich zum zeitgenössischen Standpunkt versammelt.
Der kreative Widerstand gegen den Druck der Geschichte wird hier manifest. Die Secession kann nicht nur durch Renovierung und ein Bewußtsein für die Kunstgeschichte ihrem Namen gerecht werden, die Freiheit der Kunst ist die Freiheit des Ungesicherten. Die »JUNGE SZENE WIEN 1987« ist ein echter Muntermacher.
Große Emotion ohne nachvollziehbare Geschichte bot die Kammermusikalische Performance für sieben Akteure und Magnetbänder »Sonatra 21 7« von PETER A. EGGER. Im verdunkelten Raum setzen sich Installationen nebeneinander durch, Objekte mit Licht oder mit Video oder … im verdunkelten Raum steht Kunstauffassung neben Kunstauffassung ohne räumliche und geistige Trennung. Auf Ausstellungsarchitektur wurde nicht nur aus Kostengründen verzichtet, der müde Kojengedanke gleich vehement abgelehnt. Entstanden ist lebendiges Miteinander, bei aller Gegensätzlichkeit der Auffassungen. Die bereits bekannten Künstler und Secessionsmitglieder GRAF und ZYX haben gewählt und gestaltet und eine ungemein anregende Ausstellung zusammengebracht.
Einige besonders gelungene Arbeiten wären hervorzuheben.Technisch ist manches hervorragend, manches nicht ganz gelungen, was aber bei einer innovativen Ausstellung zu vernachlässigen ist. Auf der Videoliege von GUDRUN BIELZ und RUTH SCHNELL kann man leider nicht liegen und den überarbeiteten Porno sehn. Die Arbeit ist trotzdem gut.
Nah und Weis oder Heimleuchten Nr. 1, eine Installation mit kleinen Monitoren zwischen Glas und unter Wasser, Landschaften zeigend in gläsernen Pyramiden, die wieder in einer Landschaft aus Sand und Rost und Glas sich dem Geschichterlschreiber geschickt entzieht, bleibt auch wenn man den Ort verläßt präsent, schafft also Erinnerung, die sich langsam verselbständigt. Was PETER A. EGGER hier geben kann, ist eben. Kunsterlebnis.
MARGARETHE HABERL und DIETMAR KEPPEL haben eine differenzierte Lichtgraphik zustande gebracht, die sich fließend modifiziert … Auch der Objekt-Schattenvergleich von FELIX DORNER, drei Skulpturen, die sich in ihrem Schattenbild verändern, ist eine in sich stimmige Arbeit. Die wegen ihrer Trickfilme mit Gestaltwitz bekannte RENATE KORDON legt eine Installation mit 16-mmFilmprojektion hin, die einfach überzeugt. Die Fotoobjekte von ILSE HAIDER bringen einiges, wie die architektonische Monitormontage von MICHAEL ZINGANEL.
Eigentlich gibt es fast nur sehr gute Arbeiten. GRAF und ZYX haben ihren eigenen Qualitätsanspruch, die Latte, die sie bei ihrer eigenen Arbeit anlegen, auch den anderen Künstlern vorgehalten. Das ergab eine Ausstellung, die man ganz einfach sehen muß. KUNSTBAD.
Die Ausstellung ist bis 23. August zu sehen. Der Katalog, der die großteils neu entstandenen Arbeiten zeigt, wird in zehn Tagen zu haben sein. © JANA WISNIEWSKI

2. JUNGE SZENE WIEN 1987 [FALTER | WIEN | NR. 31187]

3. IN DER SECESSION ZEIGT DIE JUNGE SZENE VIDEO-, FILM- UND LICHTINSTALLATIONEN. [PROFIL | WIEN | 10. AUGUST 1987]

4. EIN EREIGNIS: DIE »JUNGE SZENE WIEN« IN DER SECESSION. [KURIER | WIEN. 5. AUGUST 1987 | S.10]]

5. »JUNGE SZENE WIEN 1987« IN DER WIENER SECESSION. [NZ | SAMSTAG 25. JULI 1985]

HERZ VON EUROPA · Infermental 9 · Wien 1989
ORF
1. 1989 Medium · Spezial über Infermental Wien · ORF Fernsehen | Wien

PRINTMEDIEN
1. 1989 Falter · 45 Beiträge - 15 Länder /5 Stunden »Infermental« 24/89 | Hg.: Falter-Verlag | Wien

2. 1989 Kunstforum International · Im Netz der Systeme: Herz von Europa. Infermental 9 · 103 | Köln

3. 1989 Wolkenkratzer. Art Journal · Herz von Europa. Infermental 9 | Hamburg